
Geboren wurde Ronny Behnert in Luckenwalde, südlich von Berlin. Schnell zog es ihn in die Hauptstadt Berlin, in der er, mit einigen Unterbrechungen, seit 1989 lebt und arbeitet. Nach seiner Ausbildung zog es ihn beruflich nach Frankfurt am Main und auf die Insel Sylt, auf der er einige Jahre verbrachte und die seine Fotografie und seinen Blick für Bilder stilprägend veränderte. Das optische Handwerk, die Beschäftigung mit dem Sehen und Darstellen hat Ronny Behnert bereits in jungen Jahren fasziniert. Bis in die späte Jugend hinein zeichnete und malte er, 2007 entdeckte er schließlich die Fotografie für sich, eine Leidenschaft, die bis heute anhält. Drei Jahre später arbeite der Fotograf bereits für Zeitungen und Magazine und gründete sein eigenes Projekt „Håggard Photography“, mit dem er sich vor allem Motiven aus verschiedenen Teilen der Erde widmet, die er aus seinem ganz eigenen Blickwinkel dokumentiert und mit dem Betrachter teilt. Das Reisen ist für Ronny Behnert definitiv eine weitere, große Leidenschaft, die zusammen mit der Fotografie eine spannende Verbindung eingeht – zwei Bereiche, die voneinander profitieren und sich bereichern. Gefühle sichtbar machen, das Innere nach außen kehren - in Behnerts Fotos stecken viele persönliche Gedanken, die in seine Fotografien mit einfließen und ihn auch selbst ausmachen: „Ich mache Fotos weil sie mir sagen wer ich bin.“ Ein Zitat des Kanadischen Fotografen Ted Grant bringt es für Ronny Behnert auf den Punkt:
„Wenn Sie Leute in Farbe fotografieren, fotografieren Sie deren Kleidung. Aber wenn Sie Leute in Schwarz und Weiß fotografieren, fotografieren Sie deren Seele”.
Was hat Sie zur Fotografie geführt, seit wann beschäftigen Sie sich bewusst mit diesem Medium? Schon früh haben mich optische Gestaltung und die Umsetzung des eigenen Sehens beschäftigt. Ich habe in meiner Kindheit und Jugend viel gezeichnet und ausprobiert. Das Feld zog sich vom Malen abstrakter Bilder in Öl über das Zeichnen von Comics bis hin zum Sprühen an Mauern und Wände. 2007 habe ich begonnen mit der Kompaktkamera eines Freundes zu experimentieren. Die ersten Motive, die ich wählte, beschränkten sich auf Detailaufnahmen im Regen, wobei ich mich recht ziellos bewegte und auch keine Nachbearbeitung stattfand. Motiviert war ich trotzdem, oder gerade deshalb. Wann haben Sie gemerkt, dass Fotografieren für Sie mehr ist als nur ein Hobby? Aus der oben genannten Motivation heraus begann ich mich der praktischen Arbeit zuzuwenden und versuchte durch das aktive Fotografieren und das bewusste „Rausgehen“ mein Sehen zu schärfen. Friedhöfe, oder vielmehr die zahlreichen, spannenden Steinfiguren darauf, zogen mich dabei magisch an. Mein erstes Projekt beschäftigte sich mit diesen Figuren, die ich auf dem Foto zum Leben erwecken wollte. Schon zu diesem Zeitpunkt interessierte mich die Schwarzweiß-Fotografie brennend, so dass ich diesen Fotos einen sehr düsteren, mystischen Ausdruck verlieh, der die Figuren für mich zu lebendigen Individuen werden ließ. Spätestens zu diesem Zeitpunkt, also recht weit am Anfang, merkte ich, dass diese Kunst, Dinge zu zeigen, die man erst auf dem zweiten Blick in einem Foto erkennt, das ist, was ich vertiefen möchte. Ein mutiger Schritt sich als Fotograf selbstständig zu machen. 2010 gründeten Sie Ihr Projekt “Håggard Photography” – was hat es damit auf sich? Mein Projekt „Håggard Photography“ habe ich gegründet, als ich für ein paar Jahre auf der Insel Sylt lebte. Dort intensivierte sich fotografisch für mich alles. Ich begann mich konsequent in eine Richtung zu bewegen und festigte unbewusst auch meinen Stil. Dort erhielt ich auch meine ersten Aufträge. Zeitungen und Magazine wandten sich an mich, für die ich Fotos und Reportagen von der Insel produzieren sollte, da es zu diesem Zeitpunkt wenig Fotografen auf Sylt gab, denen es möglich war mit Medien vom Festland aus zusammen zu arbeiten. So verselbständigte sich meine Arbeit und ich begann Innenaufnahmen für neu eröffnete oder umgebaute Diskotheken, Clubs und Bars zu schießen. Später durfte ich selbst ein paar Fotostrecken meiner eigentlich persönlichen Arbeit in ausgewählten Magazinen auf der Insel veröffentlichen. Um diese Arbeit unter meine Projekte zusammen zu führen gründete ich „Håggard Photography“. Hat der schwedische Name Ihres Projektes eine besondere Bedeutung? Der Begriff „Håggard“ stammt aus dem Angelsächsischen und bedeutet soviel wie „Der Wilde“. Diesen Namen machte ich mir, aufgrund einiger meiner rebellischen Charakterzüge, zu eigen. Ein weiterer Grund war die Figur des „König Haggard“ aus dem Zeichentrickfilm „Das letzte Einhorn“ aus meinem Geburtsjahr 1982. Ein ausgemergelter, alter aber klarer Mann, der keine Freude mehr empfand außer in einer Sache, die seinen Lebensmittelpunkt darstellte und ihn zuletzt gnadenlos aber zufrieden zerstörte. Das soll jedoch nicht heißen, dass ich mich zu 100% mit dieser Figur identifiziere, aber sie bewegte mich so sehr, dass auch dieser Faktor in die Namensgebung einfloss. Betrachtet man Ihre Werke auf dem WhiteWall Kunstmarkt, findet man vorrangig Landschafts- und Architekturaufnahmen – Ihr Lieblingsmotiv? Absolut. Landschaften, je karger desto besser, faszinieren mich. Ödnis, Nebel, graue und dicke Wolken, tosende Meere und schlechtes Wetter gehören für mich zum Fotografieren dazu. Diese Eigenschaften verstärken eine Art Sehnsucht, Melancholie und Stille, die ich durch das Bild transportieren möchte. Die Person, die sich ein solches Foto ansieht, möchte ich zum Verweilen einladen, zum Ausruhen und „Zu-sich-finden“. Verstärkt wahrgenommen habe ich diese Gefühle in Island und in meiner Zeit auf Sylt. Island ist für solche Aufnahmen prädestiniert. Man bewegt sich ständig in der Einsamkeit und Stille, die einen nicht betrübt, sondern glücklich macht und erfüllt. In jeder Ecke dieses atemberaubenden Landes, das so unglaublich schöne Landschaften zu bieten hat, fühlt man sich auf positive Art und Weise zu jedem Zeitpunkt beobachtet und beschützt. Alte Mythen und Geschichten werden in den skurrilen Felsformationen der Berge lebendig und ließen mich als einen Menschen mit einer veränderten Sichtweise nach Hause zurückkehren. Bis jetzt hat mich nichts so sehr bewegt, wie diese Reise. Architektur hat mich schon immer interessiert. Da ich gerne Städte bereise, informiere ich mich über deren Entstehung und Entwicklung. Baustile, Größenverhältnisse und auch Innenarchitektur sind somit auch ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeiten. Hierbei haben mich gerade moderne Städte wie Dubai stark geprägt, die in Ihren Superlativen ein Gefühl freisetzen, als befände man sich mitten in einem Star Wars Film. Motive, die von oben und unten, sowie von innen und außen begeistern. Aber auch stark organische und eher alte Baustile wie die Architektur von Gaudi in Barcelona haben mich begeistert, obwohl ich zugeben muss, dass gerade diese lebendigen Formen schwer festzuhalten waren. Darüber hinaus reizt Sie die Schwarzweiß-Fotografie. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, ob Sie ein Motiv farbig umsetzen wollen oder nicht? Dabei richte ich mich nach Stimmungen. Es gibt Fotos, bei denen es schlichtweg traurig wäre, die Farben heraus zu nehmen, da sie eine ebenso starke Emotion transportieren wie ein Schwarzweiß-Foto. Im Grunde genommen bin ich aber der Ansicht, dass ein monochromes Bild weitaus mehr Gefühl durch seine Schlichtheit erzeugt als ein Farbfoto. Gibt es innerhalb Ihrer Sujets eine erkennbare Linie, die sich durch alle Arbeiten zieht, eine Richtung, die Sie verfolgen? Viele meiner Fotos entstehen durch Langzeitbelichtungen, die eine Landschaft, egal ob urban oder Natur, entweder aufwühlen oder beruhigen können. Auch hier nehme ich den Charakter der jeweiligen Umgebung auf und setze ihn durch diese Technik um. Mir ist es möglich eine vom Verkehr völlig überfüllte Umgebung komplett menschenleer und autofrei zu zeigen. Umgekehrt besteht aber auch die Möglichkeit einen stillen Ort durch eine längere Belichtungszeit mit einer mitreißenden Dynamik zu verändern. Unsichtbares sichtbar machen - das macht für mich Fotografie aus. Kontraste und Größenverhältnisse machen ebenfalls einen Reiz für mich aus. Ich stelle den Menschen, der sich oft im Zentrum von allem sieht, gerne als kleinen Punkt dar, um zu symbolisieren, dass es etwas Größeres, als uns gibt. Welche Motive interessieren Sie inhaltlich überhaupt nicht? Das kann ich nicht beantworten, da jedes fotografisch umgesetzte Thema viele Besonderheiten aufweist, die ein anderer eventuell nicht zeigen kann. Ich habe in der Vergangenheit viel experimentiert und fotografiere, trotz der oben genannten Schwerpunkte, auch in anderen Bereichen. Ich kann mich auch am Fertigen von Portraitaufnahmen und Stillleben erfreuen, da der Reiz des perfekten Handwerks an sich für mich mehr wiegt, als das Motiv. Gerade für professionelle Fotografen spielt auch die Produktion der Werke eine große Rolle. Was muss ein professionelles Fotolabor leisten können, um Sie zu überzeugen? In erster Linie Qualität, Professionalität, Kulanz und die Fähigkeit auf Wünsche einzugehen. Nach Ihrer Erfahrung – welche Rahmungen oder Kaschierungen sind bei Ihren Kunden am beliebtesten, was finden Sie am Schönsten? Mir gefallen die modernen Methoden ein Foto an einer Wand zu zeigen nicht so gut. Ich bevorzuge die traditionelle Weise: Das Fotos im Galerie-Rahmen aus schwarzem Massivholz mit Passepartout. Die Kombination aus der hohen Qualität des Rahmens und der gewählten Fotografie erzeugt für mich an einer passenden Wand einen großartigen, edlen und stilvollen Eyecatcher. Mit welchem Kamera Equipment arbeiten Sie? Ich bin eher spartanisch ausgerüstet und trage nur das Nötigste bei mir. Ich halte nichts von den grenzenlosen technischen Möglichkeiten, die sich uns mittlerweile bieten und brauche keine Massen an Zubehör. Dadurch werden die Fotos meist nicht besser. Digital arbeite ich mit drei Wechselobjektiven im Vollformat, die alle Brennweiten abdecken, die ich benötige. Analog schieße ich meine Fotos mit einer ukrainischen Kiev88 im Mittelformat und experimentiere mittlerweile wieder verstärkt mit einer Polaroid Kamera. Standardequipment wie ein Stativ, Fernauslöser und ein Dichtefilter gehören ebenfalls dazu. Ich sortiere jedoch vor einem Shooting mein Equipment und trage somit meist nur eine Kamera und ein Objektiv mit mir herum. Welche Ihrer Fähigkeiten nutzt Ihnen beim Fotografieren am meisten? Ich denke meine Naturverbundenheit und mein Interesse im Bereich Architektur ist zwar keine Fähigkeit aber hilft mir stark beim „Sehen“ und Erkennen von spannenden Ausschnitten und Motiven. Um die Frage andersherum zu beantworten und zu beschreiben, was mir eher weniger nutzt: Meine Ungeduld, die es mir manchmal schwer macht Fotos zu schießen. Eine Belichtungszeit von mehreren Minuten oder das Warten auf einen bestimmten Moment, auf das Vorbeikommen eines Menschen vor einem gewählten Motiv z.B. helfen mir aber, die Ungeduld zu dezimieren. Das hilft auch in anderen Bereichen des Lebens, man wird schlichtweg gelassener. Ist Fotografie ein erlernbares Handwerk oder kommt es hauptsächlich auf Talent an? Meiner Meinung nach macht das Talent eines Fotografen das Handwerk aus und formt ihn. Viele große und bekannte Fotografen haben Fotografie nicht studiert, sondern sind Quereinsteiger, deren Leidenschaft sie zum Fotografieren gebracht hat. Ich habe zwei Mal versucht ein Studium zu beginnen. Der ersten Hochschule habe ich abgesagt und die zweite Hochschule hat mich nach den geforderten Eignungsaufgaben nicht zugelassen, was sich im Nachhinein aber als Vorteil heraus stellte. Ich möchte mich nicht durch festgefahrene Regeln formen lassen, sondern die Welt so darstellen, wie ich sie sehe. Durch meine Augen und meine Gedanken, frei von Gesetzen, die meinen Blick wahrscheinlich eher beschränken als erweitern würden. Was würden Sie sagen, ist für Sie Fotografie ein Mittel des künstlerischen Ausdrucks oder der Dokumentation? Welcher Aspekt interessiert Sie am meisten? Eindeutig beides. Jeder legt die Fotografie so für sich aus, wie man es für richtig hält. Für mich ist Fotografieren selbstverständlich ein Teil meiner künstlerischen Identität, die mich als Menschen ausmacht. Aber auch dokumentarisch ist Fotografieren, schon alleine aus beruflichen Gründen, ein wichtiger Faktor. Spannend werden Bilder für mich dann, wenn darauf etwas zu sehen ist, was nicht mehr existiert. Darum verbinden gerade alte Fotografien aus dem letzten Jahrhundert diese beiden Faktoren, Kunst und Dokumentation, perfekt miteinander und machen für mich auch deren Reiz aus. Haben Sie selbst ein fotografisches Vorbild? Es gibt viele Fotografen, die mich inspirieren und beeindrucken. Ganz oben stehen für mich der Japanische Fotograf Hiroshi Sugimoto und Michael Levin. Begeistert bin ich vor allem von Fotografen, die Ihre Schwerpunkte auch in anderen Bereichen setzen. Gute Portraitfotografen, wie der Deutsche Lichtbildner Olaf Heine sind für mich eine absolute Bereicherung. Gibt es ein Wunschmotiv, das Sie gerne einmal ablichten würden? Einen bestimmten Menschen, eine Situation oder eine Landschaft? Mein primäres Ziel ist es mich weiter zu entwickeln und neue Dinge, verstärkt im Portraitbereich, auszuprobieren. Vor allem möchte ich meine Schwerpunkte auf das Transportieren von Botschaften setzen, um auf Missstände aufmerksam zu machen, um durch bewegende oder außergewöhnliche Situationen Menschen erreichen zu können. Mit der Zeit wird die Technik, welche die Fotografie zu Beginn bestimmte, immer unwichtiger und die Gedanken, die durch das Produzieren und Betrachten eines Fotos entstehen, immer wichtiger. Im Grunde genommen ist aber alles Existenzielle auf der Welt es wert abgelichtet zu werden, was ich keinesfalls aus den Augen verlieren möchte. Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen – Wie werden Ihre Arbeiten wohl in 5 oder 10 Jahren aussehen? In dieser Zeit kann viel passieren und die eigenen Vorstellungen weichen oft von der Realität ab. Somit lasse ich mich eher treiben und arbeite weiter an meinen Fotografien, so lange bis es mir keinen Spaß mehr macht und ich eine neue Leidenschaft für mich entdecke. Geht diese Leidenschaft verloren, hat es für mich keinen Sinn mehr Fotos zu machen.
Fotos: Ronny Behnert, Text: Claudia Haevernick