Kurzprofil

Der Wahl-Berliner Matthias Heiderich hat Computerlinguistik studiert und fand zunächst über die Freizeit den Weg zur professionellen Fotografie: „Der Gedanke in einem Büro zu arbeiten, wurde rasend schnell unattraktiver.“

Inzwischen werden seine Fotografien in ganz Europa und den USA ausgestellt und er ist freiberuflich für globale Brands, aber auch Agenturen und Verlage tätig. „Dabei versuche ich so ein bisschen den experimentellen Charakter aus meiner Anfangszeit zu bewahren und nicht in verkrampfte Ernsthaftigkeit zu verfallen.“

Im Interview verrät er, was ihn inspiriert, wie er seinen Stil selbst wahrnimmt und warum Fotografie für ihn auch immer ein „bisschen Eskapismus“ ist.

Shadow of a person on a yellow wall.

3 FRAGEN AN MATTHIAS HEIDERICH

Kannst du uns ein bisschen darüber erzählen, wie du Fotograf geworden bist? Und erzähl uns gerne etwas über deine Bilder.

Seit 2011 bin ich freiberuflicher Fotograf. Seit ungefähr 2008 interessiere ich mich ernsthaft für Fotografie. Davor hatte ich kaum Berührungspunkte damit, abgesehen von Knipsereien auf Reisen und Geburtstagen. 2008 bis 2011 war so eine Art persönliche Orientierungsphase. Eigentlich habe ich ein Studium der Computerlinguistik abgeschlossen und Fotograf werden war kein Plan. Das kam allmählich in der Zeit nachdem ich nach Berlin gezogen war, häufiger in der freien Zeit fotografierte, und anfing ein paar Fotos auf Fotowebseiten hochzuladen und mit Photoshop zu experimentieren, was ich äußerst spannend fand. Auf den Fotoseiten habe ich dann zum ersten Mal sehr viele Arbeiten von richtigen Fotografen gesehen und quasi nonstop konsumiert und war direkt angefixt, wurde enthusiastischer und habe dann viele verschiedene Kameras und Stile ausprobiert. Der Gedanke in einem Büro zu arbeiten wurde rasend schnell unattraktiver.

Foto: Matthias Heiderich

Mit der Zeit hat sich dann ein Stil herauskristallisiert, der mir am ehesten liegt. Ich bin gerne in der Stadt unterwegs, um mir unbekannte Ecken zu finden. Und so war eigentlich klar, dass ich eher kein Portrait- oder Landschaftsfotograf sein will, sondern Fotograf im urbanen Raum. Minimalismus in Kombination mit Farben finde ich persönlich visuell befriedigend und auch beruhigend. Beim Fotografieren in der Stadt komme ich außerdem gut in eine Art meditativen Flow-Zustand, in dem ich gut abschalten kann. Ein bisschen ist es eben auch Eskapismus.

Meine Fotos zeigen häufig etwas Banales, manchmal Architektur - meistens jedenfalls einen kleinen Ausschnitt der Realität, den ich persönlich auf irgendeine Art und Weise bemerkenswert finde. Und in der Regel spielen dabei Formen, Linien, Geometrie, Farben eine Rolle. Das alles in einem Foto zu ordnen bereitet mir Freude, weil ich die Unendlichkeit der Welt auf kreativem Wege auf wenige Elemente reduzieren kann.

Foto: Matthias Heiderich

Wie lassen Sie sich inspirieren? Und was inspiriert Sie am meisten? Filme, Bücher oder Zeitschriften? Oder was umgibt Sie?

Wenn ich Zeit habe, laufe ich durch Städte, schaue mich um und fotografiere alles, was interessant aussieht. Die meisten Fotos schaffen es nicht an die Öffentlichkeit und landen im Archiv. Es macht aber immer Freude etwas zu entdecken und über Kompositionen nachzudenken.

Das Interesse an dieser Ausdrucksform kommt sicherlich daher, dass ich dabei die Welt für mich ordnen kann - sie in kleine Pakete packen kann, deren Komplexität übersichtlich ist. Vermutlich ist es ein Harmoniebedürfnis. Außerdem fühle ich mich immer inspiriert, wenn ich Arbeiten sehe, die mich visuell befriedigen, und dann kriege ich Lust, selbst so etwas zu erschaffen. Dabei versuche ich so ein bisschen den experimentellen Charakter aus meiner Anfangszeit zu bewahren und nicht in verkrampfte Ernsthaftigkeit zu verfallen. Zugegeben ist das nicht immer einfach, wenn man auch von dieser Arbeit leben will. Social Media und die dortigen Regeln haben natürlich auch Einfluss auf meine Arbeiten. Aber eine Erkenntnis ist, dass mir die Freude an der Fotografie verloren geht, wenn ich mich zu sehr daran orientiere, was gerade in den Medien funktioniert und das Ergebnis wird dann nicht gut. Auch weiß ich jetzt, dass man nicht Allrounder sein muss, sondern, dass man gut in einer Nische existieren kann, wenn man konsequent daran arbeitet.

Foto: Matthias Heiderich

Inspiration ist allgegenwärtig. Jetzt kann man unendlich viele Fotos in den Apps ansehen. Da finde ich immer sehr viel, was ich persönlich schön finde und von dem ich Lust bekomme, rauszugehen. Wenn man nur auf Instagram unterwegs ist, vergisst man aber manchmal, dass die Arbeiten der großen Meister*innen vieler Genres eher kaum dort zu finden sind, daher sind Fotobücher eigentlich immer wertvoller. Vor allem auch, weil man dort Fotos gedruckt sieht und nicht nur komprimierte Dateien. Das macht auch den Reiz von Ausstellungen aus. Fotografie ist eben nicht nur Fotos aufnehmen, sondern sich auch über die Präsentation Gedanken zu machen - über Materialien, Dimensionen, verschiedene Präsentationsformen. Aus dem Grund empfinde ich Bücher, Magazine und Ausstellungen inspirierender als das Scrollen durch Apps und Webseiten. Und natürlich sind auch andere Kunstformen inspirierend, für mich vor allem Architektur und Musik - Formen, Farben, Rhythmus.

Foto: Matthias Heiderich

Was sind deine Pläne für den Rest des Tages?

Was habe ich für den Rest des Tages vor? Natürlich Fotos nachbearbeiten, mit dem Hund spazieren gehen, Emails beantworten und mal wieder ein Magazin durchzublättern anstatt in den Abgrund zu scrollen :)

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