Kreativität als Lebensprinzip - Pavel Kaplun im Interview

Von Andrea Bruchwitz - Mi, 30.11.2016 - 09:00

© Pavel Kaplun | www.kaplun.de

Pavel Kaplun stellt die beschauliche Welt des Betrachters auf den Kopf. Der Künstler hat als Sprengstoffexperte gearbeitet und delikates Porzellan designt, bevor er sich ganz der Fotografie widmete. Kaplun kreiert mit einem Feingefühl für Farbe, Licht und Komposition neuartige Bilderlebnisse und arrangiert die Elemente so, dass ein harmonisches Spiel auf seinen Bildern entsteht und sich eine unterliegende Schicht offenbart. Im Interview erklärt der Künstler, was ihn inspiriert und warum er gewohnte Pfade gerne verlässt, um auf neue Ideen zu kommen.

Du warst Chemiker, Sprengstoffexperte, Monteur und Porzellan-Designer – wie bist du zur Fotografie gekommen? Ich habe mich immer als Künstler gesehen – und wollte immer als Künstler leben. Leider war dieser Weg aus vielen Gründen nicht von Anfang an möglich. Ich musste Berufe ausüben, die es mir ermöglichten, meine Familie zu ernähren. Meine Freizeit war allerdings immer künstlerischen Tätigkeiten gewidmet, insbesondere der Malerei. Über Umwege – mit einer kleinen Prise Glück und Zufall – bin ich irgendwann bei einer Werbeagentur gelandet. Dort konnte ich mir zwar wichtiges Wissen aneignen, doch ich brauchte mehr Freiräume in meinem kreativen Schaffen. Diese Freiräume konnte ich mir nur selbst nehmen. Es war jene Zeit, als die digitalen Bildbearbeitungsprogramme noch in den Kinderschuhen steckten und ich merkte: Jetzt oder nie. Ich entschied mich für „Jetzt“.

Wie würdest du deine Darstellungsweise beschreiben? Meine Bilder sind wie ich: Sie sind sehr präzise bis ins letzte Detail, aber es gibt immer eine Botschaft oder ein kleines Augenzwinkern, das dabei mitschwingt. Ein wenig Humor hat noch keinem geschadet. Darüber hinaus lege ich großen Wert darauf, dass ich die Dinge so zeige, wie ich sie sehe und nicht, wie die Wasserwaage sie horizontal ausrichtet oder der Sensor sie abbildet. Wenn ich fotografiere, dann möchte ich den Moment mit all seinen Facetten einfangen. Das geht über das hinaus, was das menschliche Auge sieht. Der Mensch ist mit mehreren Sinnen und Emotionen geboren worden und all das sollte ins Bild einfließen. Deshalb sehen meine Fotos auch nicht aus, als kämen sie aus einem Postkartenständer. Farbe, Licht, Perspektive, Größenverhältnisse, geometrische Formen und deren Ausrichtung – all das sind Dinge, die ich in meinen Arbeiten immer wieder gerne auf den Kopf stelle, wenn mir danach ist.

Was ist dein Themenschwerpunkt? Hätte man mich das vor ein paar Jahren gefragt, wäre die Antwort sehr kurz ausgefallen. Ich hätte ganz klar „Composings“ geantwortet, für die ich nach wie vor bekannt bin und die ich natürlich immer noch sehr gerne kreiere. Aber seitdem ist viel passiert und meine Themenschwerpunkte haben sich verändert. Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern, bei denen eine Spezialisierung eintrat, ist bei mir das Gegenteil passiert. Unter meinem eigenen Produktionslabel habe ich in den letzten Jahren unzählige Lernvideos auf den Markt gebracht, die ein breites Spektrum fotografischer Themen beleuchten. Ein Schwerpunkt, der besonders heraussticht, ist die Reisefotografie. Ich produziere nicht nur Lernvideos, sondern organisiere auch Fotoreisen rund um den Globus. Im Jahr 2017 werden wir unsere zehnte Fotoreise durchführen. Zudem haben Workshops und Events zu unterschiedlichen Themen ein immer größeres Gewicht. Neben den künstlerischen Aspekten legen wir zunehmend einen Fokus auf den Erlebnisfaktor. Wir ermöglichen neue Erlebnisse, die neuen Spaß an der Fotografie entfachen sollen.

© Pavel Kaplun | www.kaplun.de

In deinem Portfolio zeigst du unter „Portraits“ eine Reihe von ungewöhnlichen Inszenierungen. Was war dein Idealbild für diese Fotografien? Ein Idealbild für diese Fotografien gibt es nicht. Ich habe viel Zeit in Museen verbracht, da mich die Arbeiten der „alten Meister“ schon seit jeher fasziniert haben. Ich bewundere Künstler wie Hieronymus Bosch oder Salvador Dalí. Licht, Schatten, Komposition oder die Abstraktion bei diesen Werken sind absolut harmonisch – sie sind zeitlos und wirken nicht altmodisch. Wenn man sich meine Portraits und Inszenierungen anschaut, wird man diesen Einfluss erkennen.

Welche Geschichte sollen die Menschen auf deinen Portraits erzählen? Die Geschichte stammt von der abgebildeten Person selbst. Mein Credo: Jeder Mensch kann bei mir eindrucksvoll erscheinen – jenseits der klassischen Schönheitsideale. Jeder hat einen Wunsch, eine Vergangenheit und damit eine Geschichte, die man für sich selbst oder für andere erzählen möchte. Und genau darum geht es in meinen Werken.

© Pavel Kaplun | www.kaplun.de

Wer oder was inspiriert dich bei der Arbeit? In meinem Alltag kann alles als Inspirationsquelle dienen: ein besonderer Moment, eine lustige Begegnung oder ein unachtsam ausgesprochener Satz. Meine Erlebnisse fließen in meine fotografischen Werke. Deshalb achte ich sehr genau auf mein Umfeld und auf das, was um mich herum geschieht. Wenn man achtsam durchs Leben geht und genau hinsieht, gibt es jede Menge Inspirationsquellen. Durch meine Reisen habe ich zudem das Privileg, immer wieder Situationen zu erleben, die mir fremd sind und die mich auf neue Ideen bringen. Auch wenn man nicht viel reist, sollte man immer wieder neue Erlebnisse suchen und nicht nur in der vertrauten Umgebung bleiben. Es ist wichtig, sich mit Menschen auszutauschen, die kontrastierende Ansichten vertreten und einen anderen Hintergrund haben.

Mit welchem Equipment bist du unterwegs? Ich habe mit beinahe allen Kameratypen gearbeitet und viele Reviews auf YouTube gezeigt. Nach all den Jahren hat sich mein Equipment deutlich ausgedünnt – schlicht und ergreifend, weil ich im Rahmen meiner Tätigkeit mehr unterwegs als im Studio war. Ich war es leid, auf meinen Workshops und Fotoreisen schweres Gepäck mit mir herumzutragen. Klein, leicht und schnell musste das Equipment sein. So kam es, dass ich mit dem Aufkommen der Systemkameras eine Sony Alpha 6000 gekauft habe. Seitdem arbeite ich primär mit Sony Kameras.

Du hast über 22.000 Instagram-Follower. Welchen Stellenwert hat das Portal für dich als Fotograf? Instagram ist für mich sehr wichtig und steht weit oben auf der Prioritätenliste. Ich poste häufig sogar mehrmals am Tag, der Grund ist simpel: Es gibt immer mehr Fotobegeisterte, die ich nur noch über Instagram erreichen kann. Darüber hinaus finde ich die Schnelligkeit, in der man sich auf Instagram austauschen kann, sehr attraktiv.

Wie stehst du zur digitalen Nachbearbeitung? Die digitale Nachbearbeitung ist Pflicht – nicht um der lieben Technik willen, sondern als Gestaltungsmittel. Natürlich fotografiere ich so, dass bereits das Ausgangsfoto meinen Ansprüchen genügt. Allerdings ist es, wie der Name schon sagt, nur das Ausgangsmaterial. Wenn ich fotografiere, dann habe ich ein bestimmtes Bild im Kopf: ein Bild mit einer Geschichte. Die Nachbearbeitung erlaubt es mir, das Bild in meinem Kopf mit den Pixeln meiner Kamera in Einklang zu bringen. An einem Tag kann es ein einfaches Nachschärfen sein, an einem anderen Tag eine künstlerische Verfremdung oder sogar die Erschaffung surrealer Themenwelten.

© Pavel Kaplun | www.kaplun.de

Was ist ausschlaggebend, um in der Fotografiebranche erfolgreich zu sein? Erfolg ist ein sehr dehnbarer Begriff und hängt davon ab, welche Ziele man verfolgt. Umsatz ist immer nur eine Konsequenz und nicht die primäre Antriebsfeder. Ich gehe immer davon aus, dass man jedes Vorhaben mit Herzblut verfolgt, sonst funktioniert es nicht. In meinen Workshops fokussiere ich deshalb drei einfache Prinzipien: 1. Der Mensch hinter der Kamera ist mindestens genauso wichtig wie das Bild an sich. Deshalb muss man sich selbst mit seinen Eigenschaften ins Spiel bringen, auch wenn es am Anfang vielleicht ungewohnt erscheint. 2. Man muss immer das bewahren, was einem Freude bereitet. Andere Menschen spüren sehr schnell, wenn man etwas ohne Herzblut und rein mechanisch erledigt. Natürlich gehören immer unangenehme Dinge zur Arbeit, die keine Freudensprünge erlauben. Dennoch sollte der Tag Freiräume bieten, in denen man sich kreativ auslebt. 3. Fotografie ist für mich kein reines Handwerk, sondern eine Kunst. Kunst entsteht nur dann, wenn man auf seine innere Stimme hört und sich nicht nur auf bewährte Designprinzipien oder den „Mainstream“ verlässt. Das erfordert sehr viel Mut. Für Pavel Kapluns Bilder, die meist leuchtende Farben und hohe Kontraste aufweisen, eignet sich das hochwertige Fotopapier Kodak Pro Endura. Kaschiert man das Motiv als Acrylglasfoto, erhält es eine zusätzliche Tiefenwirkung.

Ist Fotografie ein erlernbares Handwerk oder kommt es hauptsächlich auf Talent an? Fotografie ist ganz klar ein Handwerk, das man erlernen kann. Diese Botschaft soll jedem Mut machen, sich selbst mit der Fotografie auseinanderzusetzen. Dennoch ist das reine Handwerk nicht ausreichend: Ab einem bestimmten Zeitpunkt weiß man alles, was man braucht, um ein „technisch sauberes“ Foto abzuliefern. Die wirklich inspirierenden Werke mit dem „gewissen Etwas“, die sich von den unzähligen, gleichartigen Fotografien unterscheiden, erfordern noch mehr. Dahinter steht ein Fotograf, der sich gleichzeitig als Künstler versteht und in der Lage ist, Momente als Ganzes einzufangen und darzustellen. Die künstlerische Seite braucht allerdings kontinuierliche Übung und eine sensible Antenne, und hier kommt das Talent zum Vorschein. Manches Talent mag sogar unerreichbar sein, aber ich bin noch niemandem begegnet, den ich als „talentfrei“ bezeichnen würde – nur Menschen, die nicht den Mut oder den Willen hatten, an sich zu arbeiten.

© Pavel Kaplun | www.kaplun.de

Wie gehst du mit Kritik um? Professionell natürlich. Wobei man hier ganz klar zwischen Kritik im Rahmen von Auftragsarbeiten und freien Arbeiten unterscheiden muss. Bei Auftragsarbeiten steht der Kundenwunsch an erster Stelle, auch wenn man als Fotograf gelegentlich anderer Meinung sein kann. Wenn es um freie Arbeiten geht, hört man mich oft den Satz sagen: „Der Künstler hat sich so entschieden“. Es gab sogar eine T-Shirt-Edition mit diesen Worten. Dennoch nehme ich Kritik ernst und entscheide für mich, was ich davon in meine Arbeit einfließen lasse. In der Vergangenheit ist es sogar ab und zu vorgekommen, dass Kritik – auch in abgewandelter Form – mich auf völlig neue Ideen gebracht hat.

Du bist ein renommierter Trainer. Was ist der wichtigste Ratschlag, den du jungen Fotografen geben kannst? Lasst euch nicht von der Technik einschüchtern! Natürlich ist ein hochwertiges High-End-Equipment eine tolle Sache. Allerdings sollte man in Zeiten, in denen man selbst mit dem Smartphone beeindruckende Bilder schießen und mobil bearbeiten kann, lieber auf sich selbst vertrauen. Man sollte an seinem Stil arbeiten und nicht jeder technologischen Neuheit hinterherhecheln. Ein guter Fotograf spürt, wenn er seine Technik wirklich ausgereizt hat und etwas anderes braucht.

Hast du selbst ein fotografisches Vorbild? Ich habe keine Vorbilder, aber dafür jede Menge Inspirationsquellen.

Karl May sagte einmal: „Die Seele ist ein weites Land, in das wir fliehen“. Verarbeitest du in deiner Fotografie auch persönliche Erlebnisse? Das kann ich ganz eindeutig bejahen. Gute Fotografien erzählen immer eine Geschichte, auch wenn sie sehr abstrakt sind. Wenn man seine Bilder präsentiert und die Möglichkeit hat, dazu etwas zu sagen oder zu schreiben, ist diese Präsentation noch eindrucksvoller. Dann beginnt ein „Kopfkino“ und es entsteht ein Erlebnis, an das sich der Betrachter, der Workshop-Teilnehmer oder der Rezipient gerne erinnert – auch über soziale Plattformen. Ganz egal, in welchem Genre man sich bewegt: Ein Bild wird erst durch seine Geschichte lebendig.

© Pavel Kaplun | www.kaplun.de

Mehr Informationen zu Pavel Kaplun gibt es auf seiner Website.

Auch interessant: