Milena Schilling
"O R I G I O"

Milena Schilling

Milena Schilling, geboren 1996, lebt und arbeitet als Fotografin in Konstanz am – und häufig im – Bodensee. Solowerke ebenso wie Gruppenausstellungen der jungen Nachwuchskünstlerin wurden bereits in Deutschland sowie international beispielsweise in Frankreich oder dem Iran gezeigt und mit bedeutenden Preisen gewürdigt.

Mit einem Bachelor in Konstanz und einem Masterabschluss in Photographic Studies in Dortmund trieb Milena Schilling ihre beeindruckende Karriere voran: Heute lebt sie nicht nur Vollzeit von ihrer Fotografie, sondern unterrichtet dieses Fach auch an der Hochschule Konstanz, wo sie als Stipendiatin für junge Professorinnen ausgezeichnet wurde. Ihre freien Projekte und Auftragsarbeiten basieren auf starken Konzepten und sind von künstlerischen Einflüssen durchzogen. Sie bewegen sich zwischen Corporate-, Editorial-, Porträt- und Werbefotografie.

Milena Schilling ist aktives Mitglied in Netzwerken wie dem BFF, dem Female Photoclub sowie dem Fotobus e.V. und engagiert sich ehrenamtlich als Jurorin bei Fotografie-Awards.

Portrait von Milena Schilling

Interview mit Milena Schilling

Milena, Du hast 45 Menschen im Bodensee fotografiert – wie bist Du an diese sehr persönliche und intime Zusammenarbeit mit den Teilnehmenden herangegangen? Es nahmen 45 Personen im Alter von 18 bis 73 Jahren teil. Das Projekt war offen für alle, die sich im (kalten) Wasser wohlfühlen und kein Problem damit haben, dass ich sie nackt im Wasser fotografiere. Es war mir sehr wichtig, das Projekt für alle Interessierten zu öffnen und nicht nach Körperform, Alter etc. zu unterscheiden, da dies meiner Botschaft widersprechen würde. Im Laufe des Projekts und der Shootings habe ich auch immer mehr gemerkt, dass unter Wasser alle Menschen gleich aussehen - oft erkennt man nicht einmal das Geschlecht, geschweige denn das Alter, die Körperform oder Tätowierungen.

In der Serie „O R I G I O“ spielt Wasser eine zentrale Rolle – was bedeutet dieses Element für Dich persönlich und künstlerisch? Wasser spielt schon immer eine große Rolle in meinem Leben. Ich verbringe gerne jede freie Minute im See und gehe jeden Morgen bevor ich arbeite erstmal eine Runde im See schwimmen. Als mir bewusst wurde, dass wir Menschen selbst zu 70-80% aus Wasser bestehen und wir die ersten 9 Monate unseres Lebens im Wasser verbringen, war die Idee für meine Fotoserie „O R I G I O“ geboren. Die Message der Serie - „Wir alle verbringen die ersten 9 Monate unseres Lebens im Wasser. Dort sind wir frei von sozialen Konstrukten und alle gleich“ - zeigt sehr deutlich dass wir alle den gleichen Ursprung haben und soll uns dies wieder bewusst machen.

Die Bilder erinnern durch ihre Lichtstimmung und Komposition an Renaissance-Kunst. Wie sah Deine Vorbereitung aus, damit diese Wirkung im Wasser überhaupt entstehen konnte? Wie lief ein Shooting ab? Das Projekt war insgesamt sehr aufwendig und komplex. Zum einen habe ich versucht, den Bodensee zu analysieren und zu verstehen. Wer schon einmal hier am See war, weiß, wie trüb er ist. Aber ab einer Wassertemperatur von unter 12 Grad wird er klarer - dann kommt es auf die Windrichtung an, wann es das letzte Mal geregnet hat, wann die verschiedenen Algen blühen und welche Wolken am Himmel stehen. Wenn all diese Faktoren stimmten, war ein Shooting so möglich, wie ich es mir vorgestellt hatte: relativ klare Sicht im See und ein weiches, malerisches Licht. Oft konnte ich die Bedingungen erst einen Tag vorher abschätzen und musste alles sehr spontan planen. In meinem Skizzenbuch habe ich immer genau festgehalten, welche Kompositionen in meinem Kopf entstanden sind, um sie mit meinen Modellen zu besprechen. Zuerst haben wir alles an Land geprobt und eine Choreographie einstudiert. Am Anfang bin ich mit den Models vom Ufer aus in See gestochen, aber ich habe schnell gemerkt, dass es von einem Boot aus besser ist - und habe dafür extra den Segelschein gemacht. Also organisierte ich zusätzlich zu den Models ein Boot und eine Crew und nach den Proben an Land sind wir auf den See hinausgefahren. Nachdem dort die letzten Feinheiten besprochen wurden, ging es für mich als erstes ins Wasser, um die passende Stelle für die Fotos zu suchen. Als diese gefunden war, kamen meine Models ins Wasser und alles ging ganz schnell: Alle schwammen auf ihre Positionen, der Skipper an Bord fing an zu zählen und die Choreographie begann. Ich habe extra Apnoetauchen geübt, um lange genug unter Wasser zu bleiben und den perfekten Moment zu erwischen, wenn meine Models in der Endposition sind. Aus technischen Gründen konnte ich nur ein Foto pro Tauchgang machen - entweder ich kam am Ende des Tages mit einem Foto nach Hause oder nicht. Der zeitaufwand für ein einzelnes Bild betrug oft bis zu 9 Stunden, wobei die Models aufgrund der Wassertemperatur oft nur 3-5 Minuten im Wasser waren. Danach wurde sich direkt an Bord aufgewärmt. Der malerische und ursprüngliche Charakter wird auch dadurch unterstrichen, dass die Fotos nicht bearbeitet wurden. Alle Fotos sind direkt out of cam.

Die physische Präsentation von Bildern verändert die Wirkung enorm. Welche Überlegungen hast Du bei der Wahl der Formate, Materialien und Hängung angestellt? ch arbeite immer sehr konzeptionell und überlasse wenig dem Zufall. Ich plane alles sehr gezielt von Anfang bis Ende. So war es mir bei diesem Projekt sehr wichtig, dass die Botschaft sowohl in den Fotos als auch durch den Druck bis hin zur Hängung deutlich wird. Die Serie besteht aus zwei Teilen - einer Serie über Wasser in Farbe und einer Serie unter Wasser in Schwarz-Weiß. Durch den gemäldeartigen Charakter der Farbfotos war mir schnell klar, dass diese sehr groß am besten wirken und nicht hinter Glas hängen sollten. Die Entscheidung für die Schattenfugenrahmen fiel sehr intuitiv und schnell. Durch den geringen Abstand zwischen Druck und Holzrahmen entstehen Parallelen zu alten Gemälden aus der Renaissance und durch die große Größe von bis zu 150x100cm wirken die Fotos wirklich wie gemalt, wenn man nah davor steht. Bei der Hängung wurde jeweils ein Scheinwerfer auf die Mitte der Fotos gerichtet, wodurch sie noch mehr strahlen und wie gemalt wirken. Die Schwarzweißfotos wollte ich in Anlehnung an den fast analogen Arbeitsprozess der Fotos und dem langen Arbeitszeitraum in einem alten analogen Druckverfahren mit tiefen Schwarztönen haben. Die Barytabzüge sind dafür perfekt geeignet! Diese sind mit Passepartout in weißen Rahmen gerahmt, um den eher dunklen Fotos die Leichtigkeit und den Freiraum der Motive wieder aufzugreifen. Die seidig schimmernde Oberfläche der Abzüge erinnert an Wasser und die lange Haltbarkeit garantiert Museumsqualität. Gemeinsam mit der Galeristin Franziska Reichel habe ich lange über die Hängung der Bilder nachgedacht. Sie weicht stark von einer klassischen oder üblichen Hängung ab. Die große Wand im letzten Raum zum Beispiel greift eine Wellenform auf und spielt damit auf die Freiheit im Wasser und das Element an sich an. Durch die unterschiedlichen Größen der Motive wirkt die gesamte Hängung sehr leicht und schwerelos - wie die Fotos selbst.

WhiteWall hat die Ausstellung produziert. Wie war es für Dich, Deine Unterwasserwelt erstmals als großformatige Prints zu sehen – was hat das mit Dir gemacht? Nach drei Jahren harter und eiskalter Arbeit im See ist es unglaublich, endlich die gedruckten Fotos vor mir zu sehen. Die großen Drucke erwecken die Fotos zum Leben und je länger ich davor stehe, desto mehr könnte ich mir einbilden die Pinselstriche zu sehen, was mir davor am Bildschirm gar nicht so sehr aufgefallen ist. Durch die präzise Arbeit von Whitewall und die großen Formate wirken die farbigen Fotos wirklich wie gemalt. Auch die Barytabzüge haben eine Bildtiefe und ein sattes Schwarz, das kein Bildschirm so wiedergeben kann. Ich muss zugeben, dass mir beim Auspacken und vor allem beim Anblick der fertigen Bilder an den Wänden die eine oder andere Träne über die Wangen gekullert ist. Besonders berührt es mich, wenn bei Führungen Leute auf mich zukommen und mich fragen, ob ich da wirklich nichts hineingemalt oder etwas bearbeitet habe. Das zeigt einfach, dass das Konzept aufgeht und man wirklich von Anfang bis Ende alles durchdenken muss, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.

Für alle, die selbst fotografieren: Was hast Du durch diese intensive Projektarbeit über das Präsentieren von Fotos gelernt – und was würdest Du anderen raten, die mehr aus ihren Bildern machen wollen? Da kann ich mich nur aus der vorherigen Frage wiederholen: Die Intension und die Message der Fotos von A bis Z durchdenken und mit einbeziehen. Von der ersten Idee bis zur finalen Hängung. Wer bei jedem Arbeitsschritt weiß, wofür man es macht und was es (beim Betrachter) auslösen soll, wird intuitiv das Richtige auswählen. Wenn man aber an einem einzigen Punkt die Intension vernachlässigt, wird das für alle sichtbar. Deshalb bleibt eurem Konzept treu und folgt diesem - auch in der Wahl der Bildpräsentation. Der richtige Druck entscheidet am Ende wie das Foto beim Betrachter ankommt, und ob es genau so rüberkommt, wie man es sich gewünscht hat. Er kann die Botschaft und das Gefühl des Bildes verstärken oder ihm die Magie ganz nehmen.

WhiteWall Produktempfehlungen